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Die DEMAG-Kettenbahn des Zementwerkes Wunstorf


Liebe Feldbahnkollegen, das Zementwerk Wunstorf (bei Hannover) wurde 1986 stillgelegt und kurze Zeit später abgerissen, nur noch die alte Grube direkt neben der A2 Hannover-Dortmund gibt noch Zeugnis ab von diesem Betrieb, der sich bis in die 60er Jahre für den Rohgesteintransport einer langen 600mm-Feldbahn bediente. Zuletzt lief die Bahn nur noch zwischen Bruchrand und Werk, innerhalb der Grube fanden sich dann schon Förderbänder.Im 1954 erschienenen Heft 137 der Kundenzeitschrift "DEMAG-Nachrichten" findet sich ein Artikel über die Erstellung einer Kettenbahn, die in Wunstorf zur Förderung der Kipploren zwischen Bruchsohle und Geländeoberfläche diente. Um die Bilddateien nicht zu groß werden zu lassen, habe ich den Text neu abgeschrieben und nur die Bilder eingescannt.

Ich hoffe, dass dieser Artikel das Interesse der geschichtlich interessierten Feldbahner findet. Vielleicht ergibt sich auch die Möglichkeit, mit Hilfe anderer Leser Daten und Fotos zur Nordcement-Bahn Wunstorf zusammenzutragen - soweit ich mich erinnere, muß es auch mal einen Artikel im Bahn-Express der 80er gegeben haben. überhaupt wäre ich an Bildmaterial von Feldbahnen und Baggern interessiert, die es in den Zementwerken rund um Hannover so gab, immerhin ist es ein wichtiges Stück lokaler Industriegeschichte. Ich selbst habe 1985 und 86 den Wunstorfer Steinbruch besucht, um die dort abgestellten alten Bagger zu fotografieren, die Feldbahn-Reste nahm ich damals nur am Rande wahr, entsprechend wenige eigene Fotos habe ich davon. Zumindest ein paar kettenbahntaugliche Loren waren aber damals noch abgestellt, die ich dann auch vermessen habe - die Zeichnung folgt später, ebenso wie meine eigenen Bilder aus der Zeit.

Nun aber zum erwähnten DEMAG-Artikel aus dem Jahre 1954:

ANFANG des Zitats!

Zweigleisige Kettenbahn für Auf- und Abwärts-Förderung von Förderwagen und Loren

von R. Kirste, Hannover

Die Kettenbahn ist als Fördermittel im Steinbruchbetrieben bekannt, und ebenso bekannt ist es, daß ihre Bedeutung mit der Entwicklung anderer Förder- und Transportmethoden - es sei hier nur das Transportband oder der Lastkraftwagenbetrieb erwähnt - geringer geworden ist. In den folgenden Ausführungen soll erläutert werden, daß es sehr wohl noch Fälle gibt, in denen eine neuzeitliche Kettenbahn die Lösung eines Förderproblems darstellt.

Das Rohmaterialvorkommen des Zementwerkes Wunstorf, das vor dem Zeitalter des Verbrennungsmotors an der Bahnlinie Ruhrgebiet - Hannover-Berlin errichtet wurde, liegt etwa 5 km vom Werk entfernt. Als Verbindung zwischen Steinbruch und Werk wurde seinerzeit der Schienenstrang gewählt. Im Jahre 1951 hatte das Schienennetz allein im Bruch eine Gesamtlänge von rund 2,5 km, und es wurden, entsprechend der geologischen Schichtung, an den in Bild 1 gekennzeichneten drei Stellen folgende Materialien abgebaut:

1. Kalkstein

2. Tonbänke

3. Bunte Schichten

Für die Förderung des bei (3) abzubauenden Rohmaterials mußte ein Höhenunterschied von 20m überwunden werden, wofür unter Berücksichtigung der Witterungsverhältnisse ein Weg von etwa 1,5 km zu fahren war. Als im Interesse der Rohmaterialzusammensetzung der Entschluß gefaßt werden mußte, die Bruchsohle um weitere 5m tiefer zu legen, um damit die Abbaumöglichkeiten für die "Bunten Schichten" zu verbessern, mußten zwangsläufig überlegungen angestellt werden, wie der Transport wirtschaftlicher zu gestalten sei. Wenn auch die Möglichkeit bestanden hätte, bei entsprechenden Investitionen für Verlegung der Brechanlagen, Anschaffungen für Transportbänder oder Seilbahnen, für Landerwerb oder Wegeausbau für einen LKW-Betrieb die schienengebundene Förderung aufzugeben, so wären alle diese Projekte an der Tatsache gescheitert, daß es sicher mehrerer Jahre bedurft hätte, die vielen Grundbesitzer zur Abgabe des entsprechenden Ackerlandes zu bewegen.

Bild 1: Lageplan Bild 2: Gesamtansicht Bild 3: Talstation

Die Schienenverbindung zwischen Bruch und Werk wurde also nach entsprechender Verbesserung des Oberbaues beibehalten und zur überwindung des Höhenunterschiedes von der Acker- zur Bruchsohle eine zweigleisige Kettenbahn mit endlos umlaufender Kette, nach dem bewährten System der DEMAG, eingebaut. Gleichzeitig wurde die Bruchsohle um weitere 5m abgestuft mit dem Ziel, den Abbau des gesamten Rohmaterials auf die nunmehr tiefste Sohle von 25m zu verlegen. Nach einer gewissen übergangszeit, die dazu benutzt wurde, auf dieser 25m-Sohle den entsprechenden Arbeitsraum zu schaffen, war dieses Ziel erreicht, und die Förderwege konnten , wie in Bild 1 zu sehen ist, von 2,5 km auf rund 1 km verkürzt werden.

Die Kettenbahn wurde in gerader Verlängerung der auf der Ackersohle liegenden Gleise erbaut, wobei der alte Förderbetrieb nicht gestört werden durfte. Ferner mußte darauf Rücksicht genommen werden, daß der öffentliche Feldweg, der zu unterfahren war, nur sehr kurze Zeit gesperrt werden durfte, weil die Umlegung des Verkehrs zu den Ländereien der Anlieger nur über Ackerland erfolgen konnte. Beide Bedingungen wurden restlos erfüllt, wenn auch manche Schwierigkeiten zu überwinden und die Kosten für Behelfsbrückenbauten nicht unbeträchtlich waren. Beide Unterführungen wurden, wie Bild 2 zeigt, in Stahlbetonbauweise ausgeführt.

Die von der DEMAG entworfene und ausgeführte Bahn, Bilder 2 bis 5, wurde mit einem Gleismittenabstand von 2250mm gebaut und erhielt entsprechend dem vorhandenen Schienennetz eine Spurweite von 600mm. In den beiden Gleisen läuft eine praktisch endlose Rundgliederkette aus Spezialstahl, die aus 65 Stück Kettenenden besteht. Diese Enden sind Zwischenbügel verbunden, die zur Aufnahme von Stahlrollen dienen, die den Durchhang der Kette vermindern sollen und an denen gleichzeitig klappbare Mitnehmer angebracht sind, die ebenfalls auf Stahlrollen laufen. Die Mitnehmer für das aufwärtsgehende Vollgleis und das abwärtsgehende Leergleis haben die gleiche Ausführung, sind aber in der Kette entgegengesetzt angebracht. Damit wurde erreicht, daß im Vollgleis jeweils eine Lore von einem Mitnehmer zur Ackersohle nach oben gebracht wird, während im Leergleis jeweils eine Lore, von einem Mitnehmer geführt, der Grubensohle zugeführt wird. Die Führung der Kettenenden erfolgt in zwei nebeneinanderliegenden Profilschienen, auf deren Oberfläche die Rollen der Bügel und Mitnehmer laufen.

Die Geschwindigkeit der Kettenbahn beträgt 0,3 m/s, und es können bei einem Förderweg von 101m und einer Steigung von etwa 20° etwas 600 Loren von je 3600 kg Brutto-Gewicht in acht Stunden gefördert werden. Bei einem Netto-Inhalt von 3000 kg/Lore entspricht das einer Fördermenge von max. 1800t/8Std., dem ein Bedarf von etwa 1200t/8Std. gegenübersteht. Bei dieser Förderleistung befinden sich jeweils sechs beladene und sechs leere Loren auf der Bahn.

Die Bahn wird von einem Drehstrommotor von 55 kWh Dauerleistung und 1450 Upm angetrieben, der mit einem 3-stufigen Kegelstirnradgetriebe durch eine Metalluk-Anfahr- und Sicherheitskupplung verbunden ist und deswegen unter Last anfahren kann. Dem Getriebe ist ein Rädervorgelege nachgeschaltet, das einen Kettenstern antreibt. Dieser besitzt mehrere der Rundgliederkette angepaßte verstellbare Arme, die eine kraftschlüssige Mitnahme der endlosen Kette gewährleisten.

Der Motor mit dem Getriebe und dem Rädervorgelege bildet die am höchsten Punkt der Bahn aufgestellte Antriebsstation. Ein Spannwagen, mit einem Gegengewicht ausgerüstet, sorgt dafür, daß die Förderkette straff gespannt bleibt. Eine ähnliche Spannvorrichtung wurde nachträglich an der Umkehrstelle auf der Bruchsohle eingebaut, um das Stauchen und damit verbundene Verklemmen der Kettenglieder in der Führung zu verhindern. Auf der Bruchsohle laufen die einzelnen beladenen Loren der Kettenbahn mit Hilfe einer handgesteuerten Abteilsperre selbsttätig zu. Auf der Ackersohle werden die leeren Wagen von der Lokomotive im Zugverband bis zur Antriebsstation gebracht, dort entkuppelt und einzeln durch eine selbsttätig arbeitende Abteilsperre dem Leergleis zugeführt. Im Vollgleis für die beladenen Loren sind überfahrbare Haltefallen angebracht, die ein Rücklaufen der Loren bei etwaigen Kettenbrüchen verhndern. Das Entgleisen der Loren auf der zweigleisigen Bahn wird durch seitlich angebrachte Führungen verhindern.

Bild 4: Kettenbahn Bild 5: Antriebsstation

Es soll nicht unerwähnt bleiben, daß für die Kette, die nicht nur ganz beachtlichen Beanspruchungen ausgesetzt ist, sondern auch allen Witterungs- und Temperaturunterschieden Widerstand bieten muß, das beste Material gerade gut genug ist, und daß besonders der Verschweißung der einzelnen Glieder besondere Beachtung geschenkt werden muß. Die Kettenbahn läuft einwandfrei, die Leistung wird gut erreicht, und der Verschleiß kann als durchaus normal bezeichnet werden.

ENDE des Zitats!

Heute sind außer den beiden in Bild 2 zu sehenden Betonbrücken und der betonierten schiefen Ebene (ohne Gleise) keine Reste der Feldbahn mehr zu sehen. Nach Stillegung der Grube wurde alles, was aus Eisen dort noch zu finden war, abgebaut und verschrottet. Die Grube ist mittlerweile auch gut bewachsen, ein feldbahnhistorischer Besuch lohnt nicht mehr. Ich würde mich aber freuen, mit Feldbahnfreunden in Kontakt zu kommen, die selber historisches Material über diese Zementwerksbahn haben.


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